Springe. Fußballmuseen gibt es mittlerweile einige in Deutschland. Das Fußballmuseum in Springe aber ist ein besonderes. Zum einen ist es älter als die meisten anderen, zum anderen ist es weniger Stars und ihren Trophäen gewidmet. Im Mittelpunkt steht hier: die Fußballverrücktheit und Sammelwut eines Fans.
Dirk Schröder bringt es auf den Punkt: „Peter Saloga war ein Verrückter“, sagt er. Ein Vorwurf? Gar eine Beleidigung? Nein. Als Vorsitzender des Vereins „Sportsammlung Saloga“ investiert Schröder selbst schließlich viel Arbeit und Freizeit in den Nachlass dieses Verrückten, eines Fußballverrückten.
Obwohl selbst kein Kicker, bestimmte der Fußball das Leben des Springers Peter Saloga. Er sammelte Trikots, Poster, Programmhefte, Wimpel, Schals, Zeitungsausschnitte – alles. Er nahm sogar noch die Bundesligakonferenz im Radio auf Audiokassetten auf. Am liebsten waren ihm Devotionalien seiner Lieblingsmannschaften, der Reds vom FC Liverpool und der Roten von Hannover 96. In ihren roten Trikots lief er auch im Alltag durch seine Heimatstadt am Deister.
Saloga – gelernter Maurer, später Seefahrer, dann in einer Registratur angestellt – lebte für den Fußball, nahm weite Reisen für Spiele auf sich. Auf einem Foto ist er während der Weltmeisterschaft 1966 am Londoner Wembley-Stadion zu sehen. „Hannover 96“ steht auf Salogas selbst gemachtem Fanpullover.
In den Kellerräumen seines Wohnhauses hortete Saloga über Jahrzehnte seine Fußballschätze. Zurecht fand sich in dem Wust nur der Sammler selbst. Anfang des Jahrtausends begann sich der „Oberfan“ angesichts gesundheitlicher Probleme, um seine Schätze zu sorgen. Er fand Mitstreiter, ein Verein wurde gegründet, das Dachgeschoss der Roten Schule, der ehemaligen Volksschule, als Sitz des neuen Museums hergerichtet.
Springes damaliger Bürgermeister Jörg-Roger Hische gab den Anstoß, er holte Wilfried Liebhold, als Spieler und späteren Vereinsvorsitzenden eine Springer Fußballgröße, ins Boot oder genauer: ans Ruder. Auch sein heute amtierender Nachfolger als Vereinsvorsitzender, Dirk Schröder, stieß schon in der Anfangszeit hinzu. Viel ehrenamtliches Herzblut wurde investiert, Liebhold tat Geldgeber auf. Den Niedersächsischen Fußballverband zum Beispiel. Museum und Sammlung wuchsen.
„Zu dieser Zeit war Peter Saloga noch volle Pulle dabei“, erinnert sich Liebhold an den „guten Fanatiker“, der auch mal zu Olympischen Spielen oder zum Tennisturnier nach Wimbledon pilgerte. Wenn nicht er, aber Bekannte reisten, knöpfte der Mann im roten Trikot sich diese vor: „Bring mir was mit!“ Saloga starb 2018, sein Vermächtnis blieb.
Heute bietet das Museum auf 250 Quadratmetern ein wohltuendes Kontrastprogramm zum oft aalglatten Fußballgeschäft. „Wir wollten nicht, dass diese Atmosphäre eines verrückten Fans verloren geht“, sagt Dirk Schröder: Die Hobbykelleratmosphäre der 70er und 80er Jahre wurde in einem holzvertäfelten Raum mit Sitzbank und Tisch rekonstruiert. Ein Stuhl, von Saloga vollständig mit Fußball-Sammelbildern der Zeit beklebt, steht dort zum Beispiel – ein Stückchen Fankunst.
Doch auch im herkömmlichem Sinne Museumswürdiges ist unter dem Dach der Roten Schule zu finden: Hannover 96 hat seinen eigenen Bereich, der Frauenfußball, die Sommermärchen-WM 2006, der Fußball in der DDR ebenso. Ein Ticket vom letzten Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft im Jahr 1963 ist zu finden: Dortmund gewann gegen Köln. Den Sitzplatz im Stuttgarter Neckarstadion gab es für 12 Mark. Ein Arsenal-London-Trikot von Per Mertesacker hat der Weltmeister aus Pattensen dem Museum zugespielt. Ein – modisch gewagter – orangefarbener Kampfrichteranzug von Olympia 1976 in Montreal ist zu sehen, ein Ankündigungsplakat wirbt für ein Aufstiegsspiel von Hannover 96: im Juni 1964 gegen Hessen Kassel. 96 wurde Erstligist. Nur einzelne Beispiele aus der gewaltigen Sammlung.
Der Verein will aber mehr vermitteln, als nur die Gelegenheit, in Fußballnostalgie zu schwelgen: Es gehe um Werte, die Fußball transportieren könne, erklärt Lehrer Dirk Schröder: „Teamgeist, Fair Play, Zusammenhalt.“ Workshops mit bildungsbenachteiligten Jugendlichen werden auf die Beine gestellt, die von Studierenden der Sozial- und Sonderpädagogik der Uni Hannover begleitet und unterstützt werden.
Nostalgisch mutete dann aber wieder eine Ausstellung im vergangenen Jahr an: In Kooperation mit der Katholischen Kirche und der Per-Mertesacker-Stiftung zeigte das Fußballmuseum in der hannoverschen Kirche St. Heinrich die Fotoausstellung „Maradona, der Göttliche?“ mit Bildern des italienischen Fotografen Sergio Siano.
Auszeichnungen bekam das Fußballmuseum für seine Arbeit inzwischen so einige. Wer sagt denn, dass sich nur im Sport Titel holen lassen?
Info: Fußballmuseum Springe – Sportsammlung Saloga, Hinter der Burg 1, Springe.
Das Museum öffnet nach rechtzeitiger Anmeldung: Telefon oder Whatsapp (01 57) 71 43 0 4 54.
Gruppen ab sechs Personen auf Anfrage.
www.fussballmuseum-springe.de.